private banking magazin: Interview mit Sven Leidel zum Thema U/HNWI Security

26.04.2022

„Heute laufen viele Schutzmaßnahmen eher im Hintergrund ab“

Bringt mehr Geld mehr Unsicherheit? Sven Leidel, Gründer der Sicherheitsberatung Privatimus, spricht im Interview über Schutzmaßnahmen für vermögende Familien, Family Offices und Vermögensverwaltungen und über die Auswirkungen von Pandemie und Ukrainekrise.

private banking magazin: Sie sind seit 1993 Sicherheitsberater für Kunden wie vermögende Familien, Family Offices oder Vermögensverwaltungen. Wurde es schonmal brenzlig?

Sven Leidel: So wirklich brenzlige Situationen habe ich persönlich bislang nicht erfahren müssen, da bin ich auch nicht unglücklich drüber. Wir versuchen ja gerade, uns bestmöglich vorzubereiten, um auf alle Eventualitäten die passende Antwort parat zu haben. Im Rahmen eines ganzheitlichen Risiko- und Krisenmanagements gehört es einfach dazu, bestimmte Szenarien bereits im Vorhinein durchzuspielen, um dann im Falle eines Falles die passende Gegenmaßnahme zum Schutz der Interessen und zur Minimierung des negativen Einflusses verfügbar zu haben. Dafür halten wir im Rahmen des Schutzkonzeptes gewisse Notfallressourcen bereit und haben unter anderem auch über Netzwerkpartner Zugang dazu.

Das klingt sehr abstrakt. Geben Sie uns ein Beispiel: Was genau schützen Sie bei vermögenden Familien?

Leidel: Die Privatsphäre, die Reputation, die Familie, die Vermögenswerte und die Identität unserer Mandanten. Die Mandate sind aber meist höchstindividuell. Wir unterstützen beispielsweise auch beim Aufbau einer eigenen Sicherheitsstruktur, rekrutieren und überprüfen Personenschützer und Sicherheitsexperten, die in der Regel direkt bei der Familie in Festanstellung gehen. Außerdem gründen wir in Einzelfällen und bei Bedarf gemeinsam mit der Schutzfamilie eine Betreuungsgesellschaft. Die Gesellschafter sind in solch einem Fall dann die Familie und der Sicherheitsberater gemeinsam, der operative Geschäftsführer ist in der Regel der Sicherheitsexperte.

Sie selbst waren ebenfalls operativ tätig – bei der Militärpolizei.

Leidel: Es ist sehr hilfreich rechtliche Grund- oder Basiskenntnisse zu haben, wenn man in der Sicherheitsberatung tätig werden möchte. Man bekommt eine gewisse „polizeiliche Grundausbildung“. Nach meiner Zeit bei der Militärpolizei war ich unter anderem über Fachabteilungen der Unternehmens- und Konzernsicherheit als externer Experte in der Betreuung von Firmeninhabern, Gesellschaftern und Vorständen sowie Aufsichtsräten tätig. Aber es gibt eben auch Personen und Familien, die keinen direkten Zugang zu Sicherheitsfachabteilungen haben oder nur klassische Bewachungsunternehmen kennen, die allerdings einen anderen Tätigkeitsschwerpunkt oder eine andere Expertise haben – und das waren nach einer Marktanalyse vor allem viele vermögende Personen, Vermögensverwaltungen und Family Offices.

Diese Kunden sind tendenziell selbst vermögend oder haben mit viel Geld zu tun. Bringt mehr Geld mehr Unsicherheit?

Leidel: Ja und Nein. Vermögende oder auch Personen des öffentlichen Lebens haben sicher andere Sorgen und Nöte als der oft zitierte Normalbürger. So besteht sicherlich ein erhöhtes Risiko, dass jemand aus der Familie entführt oder erpresst wird. Als Person des öffentlichen Lebens muss man sich Sorgen um seine persönliche Reputation machen. Auf der anderen Seite hat man aber vielleicht eher die finanziellen Mittel, um einer etwaigen Unsicherheit oder Bedrohung auch angepasst und zielgerichtet begegnen zu können. Persönliche Sicherheit muss nicht zwangsläufig teuer sein. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand lässt sich schon viel zur persönlichen Sicherheit beitragen.

Ab wann brauchen vermögende Einzelpersonen eine Sicherheitsberatung, wann Family Offices oder Vermögensverwaltungen?

Leidel: Das kann man nicht so pauschal sagen, geschweige denn an einem bestimmten Vermögen festmachen. Da gibt es verschiedene Faktoren, wie die Öffentlichkeit der Personen und Institutionen oder das Geschäftsumfeld, in dem sie sich bewegen oder auch bewegen müssen.

Welche Fehler beobachten Sie am häufigsten?

Leidel: Es gibt immer mal wieder vereinzelt Mandanten, die vieles oder alles selbst erledigen wollen. Das fängt bei der Installation einer Alarmanlage an und endet unter Umständen beim Verjagen eines Einbrechers oder der körperlichen Auseinandersetzung mit Gewalttätern. Das kann schnell sehr gefährlich und riskant werden. Wer juristischen Rat benötigt, geht zum Fachanwalt. Wer Zahnschmerzen hat, sollte schnell zum Zahnarzt – und nicht versuchen, es selbst zu richten. Ähnlich ist es beim Thema persönliche Sicherheit.

In welchen Sicherheitsfragen ist das am wichtigsten?

Leidel: Der Schutz der Privatsphäre ist zumeist die Initialzündung seitens der Mandanten: Ein sicheres Zuhause oder das Wissen über das, was so alles über einen im Internet zu finden ist, beschäftigt viele Mandanten. Das Internet vergisst schließlich nichts, viele Dinge können sich explosionsartig, unkontrolliert und ungewünscht in alle erdenklichen Richtungen vervielfachen und verteilen, auch sicherheitskritische Inhalte wie Privatanschriften, Angaben zu Vermögen und Einkommen oder Namen und Bilder der Kinder. Mandanten brauchen Unterstützung beim Löschen und Verdrängen ungewünschter Inhalte – bis hin zur rechtskonformen, automatisierten und softwaregestützten Überwachung des Internet anhand von Keywords sowie die Vorbereitung einer behördlichen Auskunftssperre zur Privatanschrift.

Das Internet hat mit Cybersecurity quasi eine ganz neue Dimension der Sicherheit verschafft…

Leidel: …die leider häufig von den klassischen und rein operativen Personenschützern übersehen oder ausgeblendet wird. Dabei ist der digitale Personenschutz in meinem Verständnis wichtiger denn je und wird leider häufig unterschätzt. Auch wir setzen bereits seit Jahren verstärkt digitale Sicherheitsexperten ein. Nur wer weiß, wie Cyber- und Hackerangriffe geplant und durchgeführt werden, kann sich und seine Mandanten auch wirksam dagegen schützen. Das größte Risiko im Zusammenhang mit Cyberattacken ist aber menschliches Fehlverhalten und Unachtsamkeit; deshalb ist Aufklärung und Aufmerksamkeit so ungemein wichtig.

Wie verändert die digitale Komponente klassische Bedrohungen?

Leidel: Eigentlich ist das Risiko, als vermögende Familie in den Fokus von Einbrechern, Entführern oder Kleinkriminellen zu gelangen, nach meiner Wahrnehmung nahezu ähnlich groß wie vor 20 Jahren. Allerdings ist es für Kriminelle im Zeitalter des Internet wesentlich einfacher geworden, Informationen über ein vermeintliches Opfer zu sammeln. Auch die Bedrohung durch die organisierte Kriminalität hat zum Teil neue Facetten bekommen. Kriminelle tragen heute nicht selten Hemd, Krawatte und Anzug – und haben einen äußerst seriösen Außenauftritt.

Wie lässt sich dem entgegenwirken?

Leidel: Es ist im Grunde ein fortlaufendes Katz-und-Maus-Spiel. Die Kriminellen entwickeln neue Techniken, Maschen oder Strategien, und die staatlichen Strafverfolgungsbehörden sowie Sicherheitsberater reagieren mit entsprechenden Maßnahmen und Strategien darauf. Vor 20 Jahren waren die operativen Personenschützer das prägende Bild zum Schutz von Personen und Familien, heute laufen viele Schutzmaßnahmen eher im Hintergrund ab. Nur weil jemand keinen Personenschützer neben sich stehen hat, heißt es noch lange nicht, dass er nichts für seine persönliche Sicherheit macht.

Es gibt aber auch globalere Sicherheitsbedrohungen, wie den Krieg in der Ukraine oder die Pandemie.

Leidel: Es ist interessant zu sehen: Einige Privatkunden zeigen durch Pandemie und Ukrainekrise nun verstärktes Interesse an Schutzmaßnahmen. Das Interesse konzentriert sich nun darauf, auf etwaige Krisen bestmöglich vorbereitet zu sein oder Notfallressourcen vorzuhalten und zu wissen, an wen man sich im Falle einer anbahnenden oder beginnenden Krise wenden kann. Dazu vielleicht das klassische Beispiel eines Sicherheits- oder Panikraums: Inmitten einer Krise ist es so gut wie unmöglich, einen dieser Schutzzäume zu planen und zu errichten. Dies muss präventiv und im Vorwege geschehen. Ein präventives Investment ist dann in der Regel auch günstiger als ein möglicher Schadenseintritt, wenn gar kein Risikomanagement vorhanden ist.

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